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Jan 23, 2024

Ein Blick auf das Flaschenpfandsystem in Deutschland

Deutsche Verbraucher geben ihre Flaschen regelmäßig im Rahmen des Flaschenpfandsystems zurück. Doch wie genau funktioniert das? Und ist es ein Modell, dem andere Länder folgen könnten?

Es ist Samstagmorgen und Menschen stehen mit Tüten voller Flaschen und Dosen vor einem Supermarkt in der deutschen Stadt Köln Schlange. Aber sie kaufen nicht. Stattdessen geben sie sie zurück.

Der Vorgang ist einfach. Beim Kauf ihrer Getränke zahlten die Käufer zusätzlich zum Getränkepreis ein Pfand – den sogenannten Pfand. Wenn sie ihre Flaschen und Dosen im Laden zurückgeben, bekommen sie ihr Geld zurück.

„Vor 2003 landeten jedes Jahr etwa drei Milliarden Einweggetränkebehälter in der Umwelt“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Umwelthilfe Deutschland (DUH), gegenüber der DW.

Heutzutage weist das Land eine Rücklaufquote von über 98 % auf. „Es ist unmöglich, eine höhere Rate zu erreichen“, sagte Fischer.

Im deutschen Pfandsystem gibt es zwei Arten von Flaschen. Die ersten, deren Pfandpreise vom Hersteller zwischen 0,08 und 0,25 Euro (0,29 US-Dollar) liegen, können mehrfach wiederverwendet werden und aus Glas oder PET-Kunststoff hergestellt werden. Bei der zweiten handelt es sich um Einwegbehälter, die, wie der Name schon sagt, nur einmal verwendet werden, bevor sie recycelt werden. Der Pfandpreis hierfür ist staatlich auf 0,25 € festgelegt.

Für Verbraucher ist das Pfand-System zwar ein einfacher Fall, bei dem Leergut in einen Automaten geworfen wird, doch was danach passiert, ist etwas komplexer.

Wenn eine wiederbefüllbare Flasche, beispielsweise Cola, im Supermarkt zurückgegeben wird, ist das der Beginn einer langen Reise.

Ein Getränkegroßhändler transportiert es mit einer LKW-Ladung Leergut zu einer Sortieranlage, wo es mit anderen Flaschen gleicher Form zusammengelegt und dann zu einem Hersteller gebracht wird, der diese bestimmte Flaschenart verwendet. Dort wird es gereinigt, neu befüllt und zum Wiederkauf ins Verkaufsregal zurückgebracht.

Eine solche Glasflasche könne bis zu 50 Mal wiederbefüllt werden, ohne an Qualität zu verlieren, so das staatliche Umweltbundesamt (UBA). Für wiederverwendbare Plastikflaschen liegt die Wiederverwendungsquote bei 25.

Einen anderen Weg gehen Einwegflaschen. Sobald sie im Geschäft eingesammelt wurden, werden sie zu einer Recyclinganlage gebracht, wo sie geschreddert und zu Pellets verarbeitet werden, aus denen dann neue Plastikflaschen, Textilien oder andere Plastikgegenstände wie Waschmittelbehälter hergestellt werden.

Das Pfandsystem sowohl für Mehrweg- als auch für Einwegflaschen spart Rohstoffe, Energie und CO2-Emissionen – vor allem, weil es den Einsatz fossiler Brennstoffe bei der Herstellung neuer Flaschen reduziert, sagt Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim UBA, gegenüber der DW.

Und das Recycling von Einwegflaschen – im Gegensatz zu einem Sack voller gemischter Kunststoffe – führt zu lebensmittelechtem Material. Auf dieser Grundlage verkaufen Discount-Supermärkte wie Aldi und Lidl überwiegend Einwegbehälter und behaupten, dass ihre Recyclingaktivitäten gut für die Umwelt seien.

„Im Vergleich zur Situation vor einigen Jahren verwenden wir bis zu 70 % weniger PET-Neuware“, sagt ein Lidl-Sprecher gegenüber der DW.

Dies hat jedoch zu einer wachsenden Beliebtheit von Einwegartikeln geführt. „Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir unsere Getränke im Discounter anbieten“, sagt Uwe Kleinert, Leiter Nachhaltigkeit bei Coca-Cola Deutschland, der DW.

Der Einsatz von Mehrwegflaschen bei Coca-Cola ist im Jahr 2015 nach Angaben der DUH von 56 % auf 42 % zurückgegangen. Das Unternehmen schließt sich PepsiCo als einer der weltweit größten Plastikverschmutzer an, wie Break Free from Plastic, eine Koalition von NGOs, die sich für die Reduzierung von Plastikmüll einsetzen, gegründet hat. In Deutschland gibt es jedoch viele Getränke von Coca-Cola in wiederverwendbaren Plastikflaschen, einige auch in Glas.

Die Schwarz-Gruppe, zu der auch der Discounter Lidl gehört, produziert mittlerweile Einwegflaschen für die eigenen Produkte. Nach Angaben des Unternehmens wird recyceltes PET verwendet. Nur die Etiketten und der Deckel seien nicht zu 100 % aus recyceltem Kunststoff, heißt es.

Dennoch sagen Umweltschützer, dass Mehrwegflaschen grundsätzlich umweltfreundlicher seien als Einwegverpackungen. Nach Angaben der DUH machen Einweg-Plastikflaschen aus 100 % recyceltem Material noch immer nur einen geringen Marktanteil aus. Zudem gehe bei jedem Recyclingprozess Material verloren, so die DUH. Es gibt keinen geschlossenen Kreislauf, in dem Material unbegrenzt in ein neues Produkt umgewandelt werden kann, ohne dass es seine Eigenschaften verliert.

Auch für die Herstellung der meisten dieser Flaschen werden noch Rohstoffe benötigt, die aus fossilen Brennstoffen stammen. „Im Durchschnitt enthalten Einweg-PET-Flaschen in Deutschland 26 % recyceltes Material“, sagte Fischer.

Darüber hinaus würden auch Mehrweg-Plastikflaschen zu Mehrweg-PET-Granulat geschreddert, sagte Gerhard Kotschik vom UBA. Dies geschieht, wenn eine Flasche ihr Nachfüllkontingent erreicht hat, sie also nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form wiederverwendet werden kann.

„Wir empfehlen immer, Mehrweg-Getränkebehälter aus der Region zu kaufen“, sagt Kotschik gegenüber der DW und fügt hinzu, dass Recycling erst dann die beste Option sei, wenn eine Flasche ihr Nachfüllkontingent erreicht habe. „Noch besser ist es jedoch, Müll ganz zu vermeiden.“

Anders als bei Einwegflaschen gibt es für Mehrwegflaschen kein verbindliches einheitliches Symbol und die Kennzeichnung kann variieren und Begriffe wie „Mehrwegflasche“, „Pfandflasche“, „Mehrweg“ oder „Mehrwegflasche“ enthalten.

Einzelhändler müssen in ihren Ladenregalen kennzeichnen, ob es sich bei den Flaschen um Einweg- oder Mehrwegflaschen handelt. Für ein Geschäft oder einen Supermarkt, der nur Einwegflaschen verkauft, reicht jedoch ein Schild im Geschäft aus. Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisieren dies als unzureichend.

Während die meisten Verbraucher in Deutschland inzwischen erkennen, ob es sich bei einer Flasche um eine Einweg- oder eine Mehrwegflasche handelt, denken laut einer aktuellen Umfrage immer noch 42 % der Menschen, dass alle Pfandflaschen – auch Einwegflaschen – wiederbefüllt werden.

Geschäfte, die nur Einwegflaschen verkaufen, vermeiden die mit Mehrwegflaschen verbundenen Logistikkosten und profitieren zudem vom Recycling und Weiterverkauf von hochwertigem PET.

„Für recyceltes PET muss man mehr bezahlen als für neues PET aus Erdöl“, sagte Kleinert, aber es sei der Schlüssel zum Erreichen der Umweltziele.

Das Geschäft wird so lukrativ, dass Lidl sogar eine eigene Recyclinggruppe gegründet hat. Fischer sagte: „Jede Flasche ist ein Geschenk“ für Discounter.

Der größte Gewinn entsteht durch nicht zurückgegebene Flaschen. Da jedes Jahr 16,4 Milliarden Einwegflaschen den deutschen Getränkemarkt überschwemmen, können die 1,5 %, die nie zurückgenommen werden, für den Handel zu Gewinnen von bis zu 180 Millionen Euro führen.

Unternehmen, die ihre Flaschen selbst herstellen und abfüllen, profitieren von Einweg-Leergut, das nicht zurückgegeben wird, sagte Jürgen Ziegner, Vorsitzender des Tankstellenverbandes ZTG. Der freie Einzelhandel und die Tankstelle haben hier das Nachsehen, da sie das Pfand von 0,25 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer an den Produktgroßhandel zahlen. Aber Kunden, die beispielsweise eine Flasche Cola kaufen, zahlen das Pfand inklusive Mehrwertsteuer.

Das deutsche Umweltamt UBA sagte, es gebe kein Allheilmittel für alle Länder und es müsse jeder Kontext genau bewertet werden, um zu entscheiden, was am besten funktioniert. Doch große Unternehmen, die sich schon lange gegen die Einführung von Pfandsystemen gewehrt haben, beginnen, ihre Position zu ändern.

„Wir unterstützen gut konzipierte, brancheneigene Pfandrückgabesysteme in ganz Europa, wo es keine nachweislich erfolgreichen Alternativen gibt“, sagte Wouter Vermeulen, leitender Direktor des Coca-Cola Public Policy Center für Europa, in einer E-Mail an die DW.

Cesar Sanchez, ein Sprecher von Retorna, einer spanischen NGO, die sich für Flaschenpfandsysteme einsetzt, glaubt, dass dies eine Reaktion auf sozialen Druck und strengere europäische Gesetze zu Einwegplastik ist – bis 2029 müssen 90 % der Plastikflaschen getrennt zum Recycling gesammelt werden.

„Die Gesellschaft fordert Lösungen und ich denke, dass Einlagenrückgabesysteme bald in Spanien und allen anderen Ländern eingeführt werden“, sagte er.

Auch in Deutschland drängen Umweltverbände auf eine Ausweitung des Pfandsystems auf alle Arten von Glas- und Kartonverpackungen, etwa Tetra Paks.

„Es wäre auch möglich, diese Behälter für Marmelade oder Honig zu entwickeln“, sagte Fischer. „Alle Produkte können wiederverwendbar sein, und das ist es, was wir wollen.“

Herausgegeben von: Tamsin Walker und Jennifer Collins

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